Dienstag, 12. April 2011

Offline Reisebüros bangen um Existenz

Die meisten Reisebüros in Deutschland gehören zu den großen Reiseveranstaltern wie TUI und Thomas Cook, oder sind eng an sie gebunden. Denn nur so fällt genug Provision für die Vermittlung ab. Unabhängige Agenturen haben es da zunehmend schwerer.
Kleine unabhängige Reisebüros haben es zunehmend schwerer, zu überleben. Foto: dpa/dpaweb
Die Debatte läuft über Facebook. Mehr als 2000 Besitzer von Reisebüros machen in mehreren Gruppen mit. Das Thema ist immer das Gleiche: „Der gesamte Zweig der Reisebüros in der aktuellen Form wird vom Markt verschwinden“, heißt es in einem Eintrag. In einem anderen wird postuliert, die Agenturen seien eine Branche, die „insgesamt um ihre Existenz kämpft“.
Was passiert da? Die unabhängigen Betreiber von Reisebüros beklagen dreierlei: die knauserigen Provisionen der Marktführer TUI und Thomas Cook, die wachsende Konkurrenz der Online-Portale, die auch von den Großen betrieben werden. Hinzu kommt, dass Banken und Sparkassen verstärkt ins Reisegeschäft einsteigen und den Kunden kräftig Rabatte offerieren. Der Urlaubstrip muss lediglich mit der Kreditkarte des Instituts bezahlt werden.
„Uns wird zunehmend ein größerer Teil unseres Brot-und-Butter-Geschäfts weggenommen“, sagt Timo Iserlohe, der in Dortmund ein Reisebüro betreibt. Er meint damit, einfache Pauschalreisen für 500, 600 Euro. Laut Deutschem Reiseverband (DRV) werden...
[...] zwar gerade mal fünf Prozent aller Urlaubsreisen über das Internet gebucht. Die Tendenz ist aber steigend. „Wir wollen das Online-Geschäft weiter ausbauen“, sagt Thomas-Cook-Sprecher Marthias Brandes. Beim Branchenprimus TUI ist es nicht anders.
Zudem hat sich eine Reihe von Internet-Reisebüros etabliert, deren Nutzerzahlen wachsen. Das Volumen des Internetgeschäfts schmerzt viele Agenturen, weil sie ohnehin am Rand der Rentabilität arbeiten. Iserlohe vermutet, dass die Hälfte der hiesigen rund 10000 Reisebüros nicht mehr „auskömmlich“ arbeitet. „Viele leben von der Hand in den Mund. Der Verdienst bewegt sich häufig auf Hartz-IV-Niveau“, sagt Iserlohe. Denn zugleich würden Provisionen nach unten geschraubt – ein ewiger Streitpunkt zwischen den stationären Agenturen und Veranstaltern.
Verdienst auf Hartz-IV-Niveau
Als Faustformel gilt: Mit zehn Prozent kann ein Reisebüro geradeso leben. Zwölf bis 15 Prozent waren früher üblich. Inzwischen gibt es ein komplexes System für die Honorierung der Vermittler. Dessen Höhe hängt von den Erlösen ab, die das Reisebüro im Vorjahr mit dem jeweiligen Veranstalter gemacht hat. Bei den Großen geht es bei einstelligen Sätzen los. Bei Thomas Cook sind es sieben Prozent. „Doch schon bei einem Jahresumsatz von 149.000 Euro steigt die Provision auf zehn Prozent“, erläutert Cook-Sprecher Brandes. Kleinen Büros fällt es immer schwerer, diese Schwellen zu erreichen, zugleich sind sie aber auf die großen Marken angewiesen.
„Ich komme auf eine Durchschnittsprovision von 8,5 Prozent“, sagt Marija Linnhoff. Ihr Reisebüro in Iserlohn könne sie nur am Leben erhalten, weil sie alles im Alleingang mache. „Das ist der Preis, den ich für meine Unabhängigkeit und eine objektive Beratung zahle.“ Denn es gilt die Grundregel: Je stärker sich eine Agentur an einen der großen Veranstalter bindet, umso höher ist das Honorar. Da gibt es mehrere Abstufungen. Die höchsten Sätze werden über interne Verrechnung an konzerneigene Büros gezahlt, davon hat TUI 400 hierzulande, bei Thomas Cook sind es 130.
Die nächste Stufe sind Franchise-Betriebe (1.000 bei TUI, 340 bei Thomas Cook), die formal eigenständig sind, aber eng mit dem Franchisegeber kooperieren, bevorzugt dessen Reisen verkaufen und dafür mehr als 15 Prozent erreichen können. Zudem gibt es Reisebüroverbünde, die Einkaufsgemeinschaften sind und spezielle Konditionen mit den Veranstaltern aushandeln. Komplett unabhängig wie Marija Linnhoff ist nur ein kleiner Teil der Reisebüros, ihre Zahl wird auf weniger als 500 geschätzt.
Wichtig für den Vertrieb
Die Konkurrenz ist hart: „Unser gesamtes Umfeld beißt uns nach und nach den Umsatz ab“, heißt es in einem Facebook-Eintrag. Iserlohe befürchtet, dass die Zahl der Reisebüros deutlich schrumpfen wird: „Das Verhalten der großen Konzerne zielt darauf ab.“ Das Nachsehen hätten die Verbraucher. Vor allem in ländlichen Regionen müsse man mit einer massiven Ausdünnung rechnen. „Bei denen, die übrig bleiben, wird die Servicequalität schwinden.“
TUI-Sprecher Mario Köpers hingegen schätzt die Lage komplett anders ein: „Deutschland hat immer noch die weltweit höchste Dichte an Reisebüros, und in den nächsten Jahren wird sich ihre Zahl nicht wesentlich verringern.“ Die Veranstalter brauchten die Reisebüros, sie würden der mit Abstand wichtigste Vertriebskanal bleiben. TUI will die Zahl der eigenen Standorte bis 2015 um 400 auf 800 verdoppeln. „Wir haben bereits damit begonnen umsatzstarke Reisebüros in guten Lagen zu kaufen“, betont Köpers.
Der DRV verweist darauf, dass im vorigen Jahr die Umsätze der Reisebüros um sechs Prozent auf 20,4 Milliarden Euro gestiegen sind. Die Agenturen hätten eine Zukunft, müssten allerdings auch im Internet aktiv werden. Linnhoff fühlt sich vom DRV nicht mehr vertreten: „Wir diskutieren auf Facebook die Gründung eines neuen Verbandes der unabhängigen Reisebüros“, sagt sie. „Je mehr wir untereinander Kontakt haben, desto schneller kommen wir wieder ganz nach oben.“






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